$bildo1;Der US-amerikanische Regisseur Sam Green hat einen Dokumentarfilm "Utopia in four movements" (Utopie in vier Bewegungen) erstellt; eines der Themen ist Esperanto. In den zehn Minuten skizziert Green Esperanto als eine erfolglose Utopie und erwähnt kaum die heutige Esperanto-Anwendung.
Während der aufgezeichneten Vorführung bei dem Filmfestival "Sundance" hat der Filmautor unter anderem gesagt, dass "Zamenhof glaubte, dass es keinen Krieg und Kulturkonflikt mehr gäbe, wenn jeder auf der Welt eine gemeinsame Sprache spräche. Obwohl uns das heute vielleicht naiv erscheint, gibt es weiterhin eine weltweite Bewegung von Menschen, die Esperanto sprechen und an seine Ideale glauben."
Ein solcher naiver Glaube findet sich anscheinend nicht in den Werken von Zamenhof; beim Esperanto-Kongres 1906 in Genf hat er sogar die Esperantosprecher gegen eine scheinbare Naivität verteidigt: "Wir sind nicht so naiv, wie es über uns einige Leute denken; wir glauben nicht, dass ein neutrales Fundament aus den Menschen Engel machen wird; wir wissen sehr gut, dass schlechte Menschen auch nachher schlecht bleiben werden; aber wir glauben, dass Kommunikation und Kennenlernen auf einem neutralen Fundament zumindest den größten Teil von den Bestialitäten und Verbrechen beseitigen wird, die nicht von schlechtem Willen, sondern einfach von fehlendem gegenseitigen Kennenlernen und von gezwungenem Aufdrängen herrühren." Auch die heutigen Esperantosprecher glauben sicherlich an internationale Verständigung, aber nicht an das Verschwinden von Kriegen dank Esperanto.
Green kommentiert auch die Hoffnung auf eine allgemeine Verbreitung zu Anfang des 20. Jahrhunderts: "Während dieser Zeit sprach man sogar von einem sogenannten 'letztlichen Sieg', der Tag, an dem der letzt Nicht-Esperanto-Sprecher letztlich die Sprache lernen würde. Was zum Teufel haben sie sich gedacht?!"
Der Film zeigt außer Esperanto drei weitere Themen unter dem gemeinsamen Titel von Utopien: Ein südchinesisches Einkaufszentrum, das größte in der Welt, hat kaum Geschäfte oder Kunden und erscheint als eine riesige Fehlinvestition. Außerdem erzählt der Film von einem US-Amerikaner, der auf Kuba im Exil lebt und weiterhin optimistisch ist, und von dem Wunsch, Skelette aus Massengräbern der Morde des 20. Jahrhunderts an einen würdigen Ort umzubetten. Als jemand, der Esperanto relativ oft und seit vielen Jahren spricht, fragt man sich, ob es wirklich passend ist, Esperanto in einem solchen Umfeld zu zeigen. Hat es wirklich Sinn, sich auf die utopische Seite von Esperanto zu beschränken und die heutige Esperanto-Wirklichkeit fast gar nicht zu erwähnen - mit Musik und Literatur, mit Wikipedia und drei großen chinesischen Internetauftritten ( Chinesisches Informationsamt, Radio China, Internetzeitschrift "Espero") , mit Muttersprachlern und den verschiedensten Veranstaltungen?
Es ist auch nicht leicht zu erklären, warum der Regisseur die Stimme eines bekannten Esperantosprechers abspielt, der ein Gedicht vorträgt und dabei ins Stocken kommt; der Sprecher bittet auf Englisch um eine erneute Tonaufnahme, aber der Regisseur hat es offensichtlich vorgezogen, die mißlungene Version zu veröffentlichen. In ähnlicher Weise zeigt der Film einzelne Menschen beim Weltkongress in Japan (2007), die auf verschiedene Weise erfolglos sind: Einer führt Jonglieren vor, auf einem Einrad - die Bälle fallen und er muss vom Rad absteigen. Ein anderer schaut neben die Kamera und erst nach einer Aufforderung in die Kamera; ein dritter schaut recht ernst drein und lächelt erst, als er darum gebeten wird. Man hat den Eindruck, dass der Regisseur nach Mitteln gesucht hat, um noch deutlicher den angeblichen Misserfolg des Esperanto herauszustellen, an den er anscheinend fest glaubt.
Es ist auch bemerkenswert, wie unterschiedlich Sam Green die Esperantosprecher von vor hundert Jahren und die heutigen darstellt: Man sieht viele alte Bilder mit jeweils Dutzenden oder Hunderten von Esperantosprecher, auch einen kurzen Filmausschnitt von Andreo Cseh mit einer großen Gruppe von Schülern. Im Gegensatz dazu sieht man die heutigen Esperantosprecher gewöhnlich als Einzelpersonen, höchstens zu dritt; sie dürfen einzelne Sätze sagen oder sie schweigen. Green spricht davon, dass es zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehr als hunderttausend Esperantosprecher gegeben hat, während jeglicher Hinweis auf die heutigen Zahlen fehlt. (Man geht von etwa 100.000 bis 200.000 aktiven Sprechern aus sowie einigen Millionen, die Esperanto gelernt haben.)
Der Regisseur Sam Green zeigt gegen Ende Bilder des technischen Fortschritts zu Beginn des 20. Jahrhunderts und kommentiert während der Filmvorführung, dass Esperanto "in diesem Umfeld einen gewissen Sinn hatte". Auf der Seite sf360.org führt er zu Esperanto aus: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es "viele Menschen, die es sprachen; man glaubte, es könne funktionieren. Es war keine absurde Idee. Am Ende war es eine verrückte Sache, ein Film von William Shatner. Der Bogen der Geschichte ist, dass es ein Aufblühen von utopischen Ideen zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab; am Ende verschwand das. Esperanto und Sozialismus stehen spiegelbildlich zueinander."
Sam Green zeigt Esperanto als etwas Naives, was völlig misslungen ist. Es gibt keine Erwähnung davon, dass Menschen heute Esperanto nicht sprechen, um Kriege zu verhindern, sondern vor allem um durch die Welt zu reisen und um internationale Freundschaften zu schaffen und zu pflegen. Auf sf360.org sagt er, dass Esperanto eine "wundervolle Idee" ist, die "gegen die Grenzen der menschlichen Natur geht".
Sein Bild zu Esperanto haben auch einige Kritiker des Films übernommen. Ein Kirk Honeycutt schreibt, dass "Green die Geschichte des Esperanto erforscht, der Sprache, die L.L.Zamenhof vor dem 20. Jahrhundert in der naiven Hoffnung geschaffen hat, dass, wenn jeder dieselbe Sprache sprechen würde, man sich besser verstehen würde. Naja, wir wissen, wie das funktionierte." Es ist nicht nötig, die Ideen von Ludwig Zamenhof zu verteidigen, aber es ist doch bemerkenswert, dass viele Konflikte und Kriege zwischen Ländern stattfinden, deren Bevölkerungen kaum eine gemeinsame Sprache haben und nur wenig kulturellen Austausch. Das trifft z.B. zu für die USA einerseits und andererseits Afghanistan, Irak, Vietnam und Korea, wenn man nur einige Kriege betrachtet.
Man kann sich fragen, warum Green Esperanto nur als Utopie und nicht auch als Realität darstellt. Sicher haben viele Esperantosprecher, die täglich oder sehr oft Esperanto benutzen, den Eindruck, dass Green die heutige Sprachgemeinschaft völlig vernachlässigt. Eine erste Antwort könnte sein, dass er zu Anfang die Sprache im Rahmen des Themas Utopie ausgewählt hat und dass er später nicht darauf verzichten wollte; folglich konnte er nicht die heutige Esperanto-Welt zeigen, weil dies das Bild einer misslungenen Utopie zerstört hätte.
Eine andere Möglichkeit ist, dass es Green nicht gelungen ist, ausreichend viel über die heutige Esperanto-Welt zu erfahren. Man muss berücksichtigen, dass er in den USA lebt und dass dort der Anteil der Esperantosprecher viel geringer ist als in Europa; während es beispielsweise in den USA etwa ein Einzelmitglied des Esperanto-Weltbunds auf eine Million Einwohner gibt, sind dies in Frankreich etwa 9 und in Island etwa 70 (bzw. 7 auf 100.000). Es ist daher kein Wunder, wenn die heutige Esperanto-Welt in den USA öfter in der Öffentlichkeit erscheint als in den USA.
Trie oni povas demandi sin, kiuj informoj pri la hodiaŭa realo de Esperanto troveblas en la angla lingvo. Se oni trarigardas diversajn anglalingvajn retejojn de Esperanto-asocioj, oni legas multe pri revoj, sed havas malfacilaĵojn trovi la hodiaŭan realon de Esperanto. Ne estas facile legi ion pri denaskuloj, muziko, plej diversaj renkontiĝoj, vikipedio, la tri grandaj ĉinaj aŭ aliaj retejoj, Afriko aŭ Nepalo - sed feliĉe almenaŭ en la anglalingva artikolo de vikipedio pri Esperanto legeblas tre aktuala bildo pri nia lingvo.
La filmo ricevis kelkajn pozitivajn menciojn de Esperanto-parolantoj, interalie de ESF, kiu subvenciis ĝin. Kontraste Brian Barker komentis jam en februaro 2010 sur "Independent Filmmaker Project": "Mi estis vere ĉagrenita vidi la aserton de Sam Green en lia 'Utopia in Four Movements', ke Esperanto malsukcesis, ĉar tio estas malvera."
Indas atentigi pri apartaĵo de la prezentadoj, nome ke la reĝisoro sursceneje komentas la filmon, kiu havas multajn silentajn partojn, dum samtempe muzikgrupo ludas. Do temas nur parte pri dokumenta filmo - estas viva prezento.
La parton de la prezento pri Esperanto eblas spekti ĉe filmoj.net, kun Esperanto-subtekstoj.
Lu Wunsch-Rolshoven, EsperantoLand